Philippinen 2003 - Filipinos

Ganz wichtig, wenn auch besonders schwierig, ist es, nach einem Urlaub nicht nur über das Land, sondern auch über die Leute zu schreiben. Was sofort nach der Landung auffällt ist, dass es so viele Leute sind. Überall und jederzeit trifft man viele Menschen auf der Straße. Als Tourist fühlt man sich zunächst ein wenig merkwürdig, da man stets beobachtet wird und nirgendwo ein Privatleben zu haben scheint. Gespräche mit Filipinos werden auch sehr schnell persönlich und es werden oft mehr Sachen gefragt, als man eigentlich beantworten will.

Allgemein kann ich sagen, dass die Filipinos durchweg sehr freundlich und viel weniger aufdringlich sind, als ich anfänglich vermutet hatte. Von überall bekommt man als weißer Tourist ein "Hey Joe" als Begrüßung zugerufen und man wird vielerorts freundlich angelächelt. Verkäufer und Bettler sind dabei wesentlich unaufdringlicher, als ich es zum Beispiel in Ägypten erfahren habe. Ein einfaches Kopfschütteln reicht oft schon aus, um klarzumachen, dass man kein Interesse hat. Allerdings kann es schon mal sein, dass man wegen der Masse der Leute häufig hintereinander den Kopf schütteln muss.

Die Kriminalitätsrate ist sicherlich höher, als man es aus Deutschland gewöhnt ist. Jedoch mit den üblichen Vorsichtsmaßnahmen (nicht zeigen, dass man Geld hat und immer nur so viel mitnehmen, wie man auch benötigt) gibt es kaum Probleme. Verkäufer und Taxifahrer versuchen zwar immer einen über den Leisten zu ziehen, allerdings ist man mit deren überteuerten Preisen immer noch recht billig dran. Aus philippinischer Sicht liegt im Ausland das Geld auf der Straße und es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass die Reichen ihr Geld auch teilen sollten.

Dieser Teilungs-Gedanke geht so weit, dass die meisten Filipinos neidisch auf das sind, was der jeweils andere hat. Bei Besuchen, insbesondere in der eigenen Verwandtschaft, ist es daher selbstverständlich, dass der reiche Tourist alles zahlt. Als Besucher kommt man sich dabei ein wenig komisch und vielleicht ausgenutzt vor, aber so sind die Dinge halt. Wenn man den Leuten klar macht, dass man auch in Deutschland für sein Geld arbeiten muss, dann kommt man noch recht preiswert über die Runden.

Umgekehrt kann man sich natürlich auch weigern, sein Geld einfach so mit allen zu teilen. Allerdings kommt man da an einen anderen Punkt der asiatischen Lebensweise: dem Schamgefühl. Filipinos können sehr schnell beleidigt sein und haben nur ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Bei uns wird bereits den Kindern beigebracht, dass sie selbstständige, eigenständige Persönlichkeiten sind. Auf den Philippinen werden die Kinder dazu erzogen, mit einer großen Menge von Menschen umzugehen und zu leben. Wäre jeder Filipino ein Individualist wie hier, gäbe es sicherlich großes Chaos. So muss man sich allerdings möglichst zurückhalten und nicht gleich das Gegenüber direkt auf irgendwelche Fehler hinweisen, wie man es bei einem deutschen Gesprächspartner machen würde. Ansonsten kann ein interessantes Gespräch dann schnell vorüber sein und der eben noch so motivierte Gesprächspartner verhält sich plötzlich sehr merkwürdig.

Schwierig ist es auch, auf Fragen (z.B. nach dem Weg) gute Antworten zu bekommen. Nicht dass die Filipinos nicht bereit wären, einem Touristen zu helfen: das Gegenteil ist der Fall. Im Null Komma nix steht eine kleine Menschenmenge um einen herum und diskutiert über die gestellte Frage. Alle wollen helfen, nur keiner will zugeben, dass er die Antwort auf die Frage nicht kennt. So wird man schon mal Kreuz und quer durch die Stadt geschickt, wenn man eine bestimmte Stelle sucht. Apropos Suchen: Straßenschilder sind in den kleineren Städten und den Vororten ein Luxus. Es ist fast unmöglich, eine bestimmte Adresse zu finden. Insbesondere in den ärmlicheren Gegenden wissen die Einwohner oftmals selbst nicht genau, wo sie wohnen - geschweige denn, wo eine bestimmte Straße sein könnte. Hier muss man viel Geduld mitbringen.

Bei all diesen Eigenheiten muss man bedenken, dass man sich in einem weit entfernten Land mit anderen Ideen und anderen Sitten befindet. Versucht man die Welt ein wenig aus Filipino-Augen zu betrachten, so versteht man zumindest einen Teil dieser Eigenheiten und nimmt die Dinge so, wie sie nun einmal sind. Dazu kann ich nur noch einmal betonen, wie freundlich und harmoniesuchend die Filipinos sind. Sie unterhalten sich gerne und es ist üblich, dass man zum Essen oder ähnlichem eingeladen wird. Ich habe zumindest die meisten Leute, die wir getroffen haben, in sehr guter Erinnerung.

Die hier gegebene Schilderung beruht natürlich auf meinen persönlichen und sicherlich nicht umfassenden Erlebnissen. Ohne Julia und vor allem ohne Chuchi hätte ich bestimmt auch andere Erfahrungen gesammelt.

Ergänzung vom 17.9.2006: nachdem ich eine Leser-EMail bekommen habe (vielen Dank dafür) muss ich vielleicht noch ein paar Punkte näher ausführen. Im oben stehenden Text habe ich einfach ein paar Dinge aufgeschrieben, die mir so vermutlich nicht in Deutschland passiert wären. Dabei wollte ich nicht schlecht oder beleidigend über die Filipinos schreiben. Ich kenne inzwischen doch recht viele Filipinos und es sind alle liebenswerte Menschen. Dabei gibt es natürlich ebensoviele individuelle Charakterzüge wie man sie bei anderen Menschengruppen auch findet. Es scheint mir nur, dass Werte wie Familie und Gemeinschaft auf den Philippinen noch viel höher angesehen werden und dass sich nicht jeder selbst verwirklichen will.
Das Problem, eine Adresse in den Außenbereichen von Manila zu finden, kann auch vermutlich nur dort auftreten. Von den Leuten, die wir gefragt hatten, konnte uns zumindest keiner auf einer Karte zeigen, wo wir gerade sind. Woanders kennen die Bewohner ihren Wohnort sicher genauer - und wir sind schließlich ja auch am Ziel gekommen.
Natürlich muss sich jeder sein eigenes Bild über Land und Leute bilden. Ich finde, dass die Philippinen auf jeden Fall einen Besuch wert sind und dass es sich lohnt, die Filipinos näher kennen zu lernen. Falls mein Urlaubsbericht oder die Beurteilung der Filipinos negativ klingen sollte, so bitte ich das zu entschuldigen - das war und ist nicht meine Absicht.